Hinweise auf Zusammenhang zwischen EMF und Alzheimer

   

Quelle: Elektrosmog Report Nr. 5  Mai 1997

  

Zwei epidemiologische Studien aus den USA und Schweden unterstützen frühere Vermutungen über einen Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern am Arbeitsplatz und der Entstehung der Alzheimer-Krankheit. Nach der amerikanischen Studie wiesen Personen, die an mittel- bis hoch-EMF-belasteten Arbeitsplätzen gearbeitet hatten, ein viermal so großes Risiko für die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit auf als eine Kontrollgruppe. In der schwedischen Studie fand sich ein um den Faktor fünf erhöhtes Risiko. Als mögliche Erklärung wird eine vermehrte Produktion des Amyloid-Beta-Proteins durch EMF diskutiert.

Bereits in einer Veröffentlichung im September 1996 hatten Paul A. Schulte und Kollegen vom nationalen Institut für Arbeitsplatzsicherheit und -gesundheit in Cincinnatti/Ohio festgestellt, daß bestimmte Berufsgruppen mit einem höheren Risiko behaftet sind, an einer degenerativen Erkrankung des Nervensystems - die häufigsten sind Parkinson- und Alzheimer-Erkrankung - zu erkranken. In die umfangreiche Analyse gingen etwa 130.000 Personen ein. Berufsgruppen mit einer häufig hohen Belastung durch EMF (elektromagnetische Felder) wie Elektriker und Lokomotivführer waren überproportional häufig mit diesen Erkrankungen vertreten. Die Autoren wiesen auf einen möglichen Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und neurodegenerativen Erkrankungen hin und regten weitere Untersuchungen zur Klärung dieser Frage an.

 

Die US-amerikanische Studie

 
Eugene Sobel und Mitarbeiter von der südkalifornischen Universität in Los Angeles präsentierten Analysen von insgesamt 326 Alzheimer-Patienten aus zwei großen medizinischen Spezialzentren, die mit einer Kontrollgruppe von 152 Patienten mit anderen Formen von Demenz aus diesen Zentren verglichen wurden. Die Patienten wurden nach einer vermuteten beruflichen niederfrequenten Magnetfeldbelastung an ihrem wichtigsten Arbeitsplatz in drei Gruppen eingeteilt:
  • eine mittlere Belastung mit etwa 0,2 bis 1 µT (Mikrotesla) und gelegentlich höheren Belastungen,
  • eine hohe Belastung mit etwa 1 bis 10 µT und gelegentlich höheren Belastungen und
  • eine niedrige Belastung bei allen anderen beruflichen Expositionen.

Für die statistische Analyse wurden die Patienten mit einer mittleren und hohen Belastung zusammengefasst.

Es zeigte sich, dass in der Alzheimer-Gruppe 17,4% der Männer und 10,0% der Frauen vermutlich einer mittleren oder hohen EMF-Belastung ausgesetzt waren, während es in der Kontrollgruppe nur 6,6% und 3,9% waren. Wurde das so berechnete erhöhte Risiko in einer multivariaten Analyse unter Berücksichtigung von Geschlecht, Bildungsstand und Alter beim Auftreten der Erkrankung den Unterschieden zwischen Alzheimer-Gruppe und Kontroll-Gruppe angepasst, so berechnete sich ein erhöhtes Risiko von 3,93 (p < 0,01, KI: 1,45-10,56), also ein um etwa den Faktor 4 erhöhtes Risiko.

Die Autoren weisen einschränkend daraufhin, dass die Studienanlage es nicht erlaubte, genaue Expositionsmessungen vorzunehmen und damit Dosis-Wirkungsbeziehungen zu ermitteln. Dies sollte in Folgestudien versucht werden.

Sobel und Mitarbeiter hatten bereits 1995 Studienergebnisse veröffentlicht, nach denen eine erhöhte elektromagnetische Belastung mit einem um das Dreifache erhöhten Risiko für die Alzheimer-Krankheit verbunden ist. Dazu hatten sie Alzheimer-Patienten in vier verschiedenen Behandlungszentren untersucht (Universität von Helsinki, Koskela-Hospital in Finnland, Universität von Südkalifornien und Rancho Los Amigos in Los Angeles). Die Risiken in den vier Zentren lagen konsistent zwischen 2,9 und 3,9 bei Fallzahlen zwischen 52 und 316 Patienten.

Die aktuelle Studie bestätigt damit die früheren Ergebnisse.

  

Die schwedische Studie

  
Eine jüngere Studie von Maria Feychting vom Karolinska Institute in Stockholm mit vergleichbaren Ergebnissen wurde am 21. November 1996 auf einem Meeting in San Antonio präsentiert. Die Wissenschaftler verglichen 55 Patienten, die an der Alzheimer-Krankheit litten, mit einer Kontrollgruppe von kognitiv normalen Personen. Sie fanden, dass Personen, die bei ihrer letzten Beschäftigung einer EMF-Belastung von durchschnittlich mehr als 0,2 µT ausgesetzt waren, ein um den Faktor 2,5 erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Alzheimer-Erkrankung aufwiesen. Dieser Unterschied war wegen der kleinen Fallzahl nicht signifikant. Das Risiko war jedoch für Personen, die bei Diagnosestellung 75 Jahre alt oder jünger waren, statistisch signifikant um das Fünffache erhöht.

Im Gegensatz zu Sobel fanden Feychting und Kollegen bei Betrachtung des hauptsächlichen Arbeitsplatzes während des gesamten Berufslebens keine erhöhte Alzheimer-Rate, sondern nur bei Betrachtung des letzten Arbeitsplatzes. Dies stellt eine wesentliche Inkonsistenz zwischen den beiden Studien dar.

 

Erklärungsmodelle

  
Die Studien aus Schweden und den USA führen zur Frage: Wie kann EMF die Entstehung der Alzheimer-Krankheit begünstigen? Diese Frage ist bisher nicht beantwortet.

Sobel und Davanipour schlugen jetzt jedoch ein Erklärungsmodell vor. Sie berufen sich auf andere Arbeitsgruppen (z. B. Selkoe et al. 1989), die davon ausgehen, dass das Amyloid-Beta-Protein in Blutgefäßen des Gehirns und der Haut vermutlich eine Rolle bei der Entwicklung der Alzheimer-Krankheit spielen könne.

Die vorgeschlagenen Schritte, die von der EMF-Exposition schließlich zur Entwicklung der Alzheimer-Krankheit führt, sieht danach so aus:

  1. EMF-Exposition führt zu einer Störung des Kalzium-Stoffwechsels. Diese resultiert in einer Vermehrung freier Kalzium-Ionen in den Zellen.
  2. Zumindest einer der Wege, die zur Entstehung von löslichem Amyloid-Beta führen, ist eine erhöhte intrazelluläre Konzentration von freiem Kalzium.
  3. Amyloid-Beta wird von den Zellen schnell in den Blutstrom abgegeben. EMF kann daher zu einer vermehrten Sekretion von Amyloid-Beta in den Blutstrom mit einer Erhöhung der Amyloid-Beta-Konzentration im Blut beitragen.
  4. Bestimmte Eiweißstoffe (Apolipoproteine E und J) können an Amyloid-Beta binden und dazu beitragen, dass Amyloid-Beta die Blut-Hirn-Schranke überwindet.
  5. Mit der Zeit könnten ausreichend hohe Mengen an Amyloid-Beta im Gehirn zu Bildung von nervenschädigenden unlöslichen amyloiden Plaques bzw. Fibrillen und schließlich zur Alzheimer-Krankheit führen.

Zu jedem dieser fünf Einzelschritte gibt es experimentelle Hinweise von verschiedenen Studiengruppen, die in dem Beitrag von Sobel und Davanipour ausführlich vorgestellt werden. Bemerkenswert ist, dass danach eine erhöhte EMF-Belastung in der Peripherie, etwa auf der Haut oder an den Händen, ausreicht, um zu einer Begünstigung der Alzheimer-Entstehung beizutragen. Es gibt noch unbeantwortete Fragen und es handelt sich bisher nur ein Modell. Es ist allerdings insgesamt gut begründet. Sobel und Davanipour wollen demnächst untersuchen, ob eine erhöhte EMF-Belastung tatsächlich zu einer Erhöhung der Konzentration von löslichem Amyloid-Beta-Protein im Blutstrom führt.

Sie gehen davon aus, dass eine erhöhte EMF-Belastung den Zeitpunkt der Entstehung der Alzheimer-Krankheit um einige Jahre - sie sprechen von 5 Jahren - vorverschiebt. Dies wird auch durch die Beobachtung von Maria Feychting unterstützt, nach der ein besonders hohes Risiko in der jüngeren Altersklasse von Alzheimer-Patienten besteht. Bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit spielen offenbar viele Faktoren, wie z. B. eine genetische Disposition eine Rolle, vermutlich auch Umweltfaktoren. Elektromagnetische Felder könnten einer dieser Faktoren sein.
 
   
 Quellen:

  1. Stronger evidence for an Alzheimer's - EMF connection. Microwave News 12 (1), S. 1, 6-7 (1997).
  2. Sobel, E., et al.: Elevated risk of Alzheimer's disease among workers with likely electromagnetic field exposure. Neurology 47, 1477-1481 (1996)
  3. Sobel, E., Davanipour, Z.: Electromagnetic field exposure may cause increased production of amyloid beta and eventually lead to Alzheimer's disease. Neurology 47, 1594-1600 (1996)
  4. Selkoe, D. J.: Molecular pathology of amyloidogenetic proteins and the role of vascular amyloidosis in Alzheimer's disease. Neurobiol. Aging 102, 387-395, 1989.
 

Amyotrophische Lateralsklerose (ALS) und EMF

 
Davanipour und Sobel haben neben dem Zusammenhang zwischen der Alzheimer-Erkrankung und elektromagnetischen Feldern (siehe Beitrag zum Thema in diesem Heft) auch den Zusammenhang zwischen der Amyotrophischen Lateralsklerose (ALS) und EMF in einer kleinen Studie untersucht. Die ALS ist wie die Alzheimer-Krankheit eine degenerative Erkrankung des Nervensystems. Sie geht mit einem Untergang der Nervenzellen einher, die die Muskeln versorgen, mit Spastik, Muskelzittern und Verminderung der Muskelmasse. Die ALS führt im allgemeinen innerhalb weniger Jahre zum Tod. Die Ursache der seltenen Erkrankung ist unklar. Möglicherweise spielen genetische, infektiöse und toxische Einflüsse eine Rolle.

Die Forscher verglichen 28 ALS-Patienten mit 32 Kontrollpersonen und schätzten die berufsbedingte EMF-Belastung. Die Untersuchung zeige einen Trend zu einem erhöhten Erkrankungsrisiko bei erhöhter und langzeitiger EMF-Belastung auf. Die Studie sei jedoch klein und müsse mit einer größeren Zahl von Teilnehmern wiederholt werden. Auch frühere Studien ließen bereits die Vermutung zu, dass ein Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und der Amyotrophischen Lateralsklerose bestehen könne.

Quelle: Lou Gehrig's disease and EMF's. Microwave News 12 (1), S. 6 (1997).

 
Sonstige Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Amyotrophe_Lateralsklerose
     
     

Helmut Langenbach
 Mitglied der Bürgerwelle e.V. 
 E-Mail: strahlung.gratis@online.de