Krebs durch Radar?

  

Ehemalige NVA-Soldaten kämpfen um Anerkennung als Strahlenopfer 

Etwa 1100 ehemalige Soldaten der Nationalen Volksarmee der DDR sind vermutlich bei ihrer Arbeit an Radargeräten durch Röntgenstrahlung dauerhaft geschädigt worden. Während jedoch die Erkrankungen von Radartechnikern der Bundeswehr als berufsbedingt anerkannt wurden, warten die Ex-NVA-Radarsoldaten darauf vergeblich. Das Bundesverteidigungsministerium lehnt jede Zuständigkeit ab. 

von Stefan Lehmacher, 03.03.2004
                       

"Wir fordern Gleichbehandlung"                         

"Wir fordern nach Artikel 3 Grundgesetz die Gleichbehandlung", beharrt jedoch Thomas Förster, Vorsitzender der "Interessenvertretung NVA-Radar" im Gespräch mit ZDFonline. Sein Verband vertritt rund 300 ehemalige Radarsoldaten der NVA, die an Spätschäden leiden und bislang erfolglos Entschädigungen verlangen.

           

Gefahr durch Mikrowellen? 

Radargeräte benutzen Hochfrequenzstrahlung (HF-Strahlung) im Gigahertz-Bereich. Im gleichen Frequenzbereich arbeiten auch Mikrowellengeräte (2,45 GHz) oder Handys (1,8 GHz). Die Sendeleistung militärischer Radaranlagen liegt jedoch wesentlich höher. Je nach Typ des Gerätes können dabei Leistungen von mehreren Millionen Watt abgegeben werden. Zum Vergleich: Ein Mikrowellenherd kann etwa 1000 Watt abgeben, ein Handy sendet Mikrowellen mit einer Leistung von 0,1 bis 2,0 Watt.

 

Protest in Berlin       

 Mit einer ungewöhnlichen Protestaktion vor dem Kanzleramt haben in Berlin Radarsoldaten ihre Forderung nach einem Entschädigungsgesetz für Strahlenopfer bei der Bundeswehr und der früheren NVA unterstrichen. Gut hundert Angehörige und Radaropfer aus dem gesamten Bundesgebiet versammelten sich am 3. März 2004 vor einem aufgebahrten Sarg und erinnerten damit an einen früheren Radartechniker der Bundeswehr, der im Dezember vergangenen Jahres mit 51 Jahren gestorben war. Dem Bundesverteidigungsministerium liegen rund 3000 Anträge auf Entschädigung von ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und der früheren NVA vor.                     

Vor einem eingeschalteten Radargerät zu stehen, wäre auf jeden Fall tödlich. "Sollten Sie durch Zufall direkt vor der Antenne stehen, dann sind Sie nach wenigen Sekunden gegrillt", erklärt Professor Eduard David vom Zentrum für Elektropathologie der Universität Witten-Herdecke. Umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen sollen jedoch verhindern, dass sich Menschen direkt vor der Antenne aufhalten. Dauerschäden durch Streustrahlung für das Personal der Anlagen seien bislang nicht nachweisbar.

   

Röntgenstrahlung als Nebenprodukt

 

Eine ganz andere Gefahr stellt jedoch die bei der Erzeugung von Mikrowellen auftretende Röntgenstrahlung dar. Bei Strömen von bis zu 100.000 Volt entstehen dort ähnliche Strahlungsleistungen wie in medizinischen Röntgengeräten. Bekannt ist inzwischen, dass sowohl bei der Bundeswehr als auch bei der NVA die Abschirmung der Geräte bis in die 1970er Jahre teilweise mangelhaft war oder durch Bedienungsfehler unterlaufen wurde.           

Hinzu kommt, dass eine systematische Überwachung der Strahlungsbelastung für die Radarmechaniker fehlte. Bis heute gibt es keine einzige Statistik, die die Strahlungsbelastung von Radarpersonal erfasst und in Zusammenhang mit gesundheitlichen Spätfolgen bringt. Allerdings sind von 110 NVA-Soldaten, die vom Bundesverteidigungsministerium die Anerkennung ihrer Erkrankungen als berufsbedingt fordern, inzwischen 26 an Krebserkrankungen gestorben.

   

Ungleichbehandlung der NVA-Soldaten

 

Was die ehemaligen NVA-Radarsoldaten vor allem aufbringt, ist die offensichtliche Ungleichbehandlung. Bei ehemaligen Radartechnikern der Bundeswehr wurden inzwischen in weit über 200 Fällen Krebserkrankungen als berufsbedingt anerkannt. Darunter sind auch zahlreiche Fälle von Hodenkrebs, die offenbar den Großteil der Krebserkrankungen durch ionisierende Strahlung bei Radartechnikern ausmachen.           

Ex-NVA-Radartechniker mit der gleichen Erkrankung erhalten laut Thomas Förster von der Interessenvertretung NVA-Radar jedoch derzeit serienweise Ablehnungsbescheide vom Bundesverteidigungsministerium. Die Begründung dafür ist simpel: Das Ministerium sieht sich für Fälle, die noch in die Zeit der DDR fielen, nicht zuständig und lehnt eine Haftung dafür ab, auch wenn die Bundeswehr als Rechtsnachfolger der NVA gilt.

   

Kampf gegen die Uhr

   Die ehemaligen NVA-Radartechniker wollen jedoch nicht aufgeben. In zwei Musterprozessen vor dem Landgericht in Frankfurt an der Oder wollen sie die Zuständigkeit des Bundesverteidigungsministeriums feststellen lassen. "Nach Artikel 21 Einigungsvertrag wurde die NVA als ein Organ der beigetretenen DDR übernommen. In dieser Eigenschaft entsteht der Staatshaftungsanspruch", erklärt Förster.           

Bei ihrem Kampf arbeitet jedoch die Zeit gegen die NVA-Soldaten. Zum einen sterben immer mehr von ihnen an Krebserkrankungen und zum anderen läuft die Verjährungsfrist für eine Klage. Wer nicht bis zum 31.12. dieses Jahres (2004) eine Klage eingereicht hat, droht seine Ansprüche zu verlieren. 

Quellen: ZDF

            und Newsletter der Bürgerwelle e.V. vom 09.03.2004
 
    
Radaropfer: Bundeswehr hat Soldaten vorsätzlich gefährdet

 Bonn (dpa) Im Musterprozess um Strahlenschäden durch Radargeräte bei Bundeswehrsoldaten haben die Kläger schwere Vorwürfe gegen das Bundesverteidigungsministerium erhoben. Allgemeine Schutzvorschriften seien früher "systematisch" missachtet worden und die Bundeswehr habe "vorsätzlich" den Tod oder Körperverletzungen seiner Soldaten in Kauf genommen, erklärte die Klägerseite am Freitag vor dem Bonner Landgericht. Die Vertreterin des Verteidigungsministeriums wies die Vorwürfe zurück. Die Kläger wollen vom Verteidigungsministerium entschädigt werden. 

Das Gericht kam in dem Zivilstreit am ersten Verhandlungstag noch zu keiner Entscheidung und setzte für den 30. April den nächsten Termin an. Dann will es verkünden, ob es direkt ein Urteil fällt oder in die Beweisaufnahme eintritt. 

Es ist der erste derartige Prozess gegen die Bundeswehr. Unabhängig von dem Bonner Verfahren ist die Bundesregierung bereit, nach den grundsätzlichen Empfehlungen der Radarkommission Betroffenen im nachgewiesenen Einzelfall Versorgungsleistungen zu gewähren. 

Die ehemaligen Bundeswehrangehörigen hatten in den 60er und 70er Jahren an den Radargeräten gearbeitet und waren später an verschiedenen Arten von Krebs erkrankt. Von den fünf Klägern waren vier, darunter eine Soldatenwitwe, vor Gericht erschienen. Sie fordern Schmerzensgeld in Höhe von jeweils mindestens 60 000 Euro. 

Die Kläger erläuterten, dass die Soldaten an den Radargeräten ohne Bleischürzen oder Messinstrumente gearbeitet hätten und direkt den Strahlungen ausgesetzt gewesen seien. Dagegen sagte die Vertreterin des Bundes, von einer systematischen Verletzung von Schutzvorschriften könne kein Rede sein. 

Freitag, 05. März 2004

Quellen:  
MÄRKISCHE ODERZEITUNG
http://www.buergerwelle.de/body_newsletter_90304.html vom 09.03.2004

   Helmut Langenbach
  Mitglied der Bürgerwelle e.V. 

 
E-Mail: strahlung.gratis@online.de